Von Rorschach nach Kreuzlingen: eine leichte Einsteigertour in längere Strecken. Will heissen: mit 37 km kurz vor Marathon-Länge, aber für wahre Langstreckenfans zu kurz. Idealerweise auch noch mehrheitlich flach – ich weiss ehrlich gesagt nicht so recht, wie respektive wo die 260 hm entstanden sind. Die Route eignet sich sowohl für Skater als auch für Klassisch-Läufer, die Wege sind grösstenteils hervorragend und breit ausgebaut. Kein Wunder, dass sie bei Radlern und (leider) auch E-Bikern sehr beliebt sind. Aber ich habe mir einen perfekten Tag ausgesucht, um meistens alleine unterwegs zu sein.
Gewitter, Starkregen, Böen
Als ich in Rorschach zu laufen beginne, beginnt es augenblicklich zu regnen. Was anfangs nach einem leichten Getröpfel aussieht, ändert sich innert weniger Minuten. Schon ein Dorf weiter, in Goldach, sträzt es. Und in Horn sind die Strassen überflutet - naja, das ist jetzt es bitzeli übertrieben, aber die Fontänen, die meine Minirollen produziere, beeindrucken mich eben.
Die Musik passt
Keine Ahnung, ob das Zufall war oder Schicksal, aber die Musik bot mir einen Anhaltspunkt über meine momentane psychische Befindlichkeit. Um die war's nicht immer bestens bestellt. In Steinach bietet sich mir der bis dato beschissenste Asphaltbelag, den ich mit Rollen queren durfte. Es wechseln sich eine Art grober, verfestigter Sandkies und Kopfsteinpflaster ab – und im Ohr habe ich 7empest von Tool. Der Regen, obwohl theoretisch gar nicht möglich, wird noch stärker. Der Himmel ist fast so dunkel wie nachts. Endlich wieder guter Asphalt, wenigstens für gut 400 Meter – dann kommt die Arboner Seepromenade und die ist gekiest. Bei Trockenheit möglicherweise ganz ok, jetzt aber ist's eine Mischung aus Kies, Schlamm und Wasser – im Ohr Darkness von Anne Clarke. Danach aber wird es besser – auch wenn ich nach dieser Mogelpackung eine kurze Fotopause einlege. Zwischen Arbon und Romanshorn geht's gefühlt 10 km geradeaus, mental nicht ganz ohne, weil: es passiert einfach genau gar nichts!, auch wenn Meshuggah mit Bleed so richtig hart Stimmung machen.
Lieber a Radlermass als Radlermassen
Mit Romanshorn ist ziemlich genau die Hälfte der Strecke absolviert und wie sich's gehört, hört's dann auch auf zu regnen, die Strecke trocknet zügig ab, der Weg ist von grossartiger Qualität, und ja: Radtouristiker hat's (noch) nur wenige. Es wird sich aber nach und nach andeuten, dass die Strecke bei gutem Wetter von Radlern richtiggehend zugefahren wird – ähnlich wie Greifensee oder Flughafen. Der Weg ist bestens ausgeschildert, meistens geht's geradeaus, Kurven haben Seltenheitswert und bieten willkommene Abwechslung. Es ist unmöglich, sich zu verfahren. Die Aussicht ist grandios, die schiere Grösse des Bodensee überwältigend (vor allem im Vergleich zum Zürichsee, diesem überfüllten Schlauch, der zudem dank zu vieler Villenbesitzer unzugänglich ist und bleibt). Ferien hier stelle ich mir wie Ferien am Meer vor.
Nach Romanshorn streift man die Ortschaften (in dieser Reihenfolge): Uttwil, Kesswil, Güttingen, Altnau, Münsterlingen, Bottighofen und kommt schliesslich am Yachthafen Kreuzlingen an – mit freier Sicht auf Konstanz. Die Musik: Jesus Christ Pose von Soundgarden – das darf jetzt allerdings nicht allzu wörtlich genommen, hier trügt der musikalische Zusammenhang. Es folgen nun nur noch rund 3 km zum Bahnhof Kreuzlingen, wo ich den Weg zurück nach Rorschach unter die Schienenräder nehme.