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Frankreich ist bekanntlich eine grosse Langlaufnation. Und im Biathlon waren sie in der Person von Martin Fourcade nahezu unschlagbar. Im Worldloppet sind die Franzosen tonangebend. Eigentlich selbsterklärend: ein Riesenland mit sehr vielen bestens ausgebauten Langlaufdestinationen im Jura und in den Alpen.

Rechts vom Radweg zwischen Seignosse Bourg und Le Penon.

Gehört Südwestfrankreich auch dazu?

Nein.

Oder doch?

Nein, Schnee gibt’s dort nicht.

Aber Rollskistrecken. Ohne Ende.


Les Landes ...

... steht für das Departement Landes zwischen Arcachon und Biarritz in der Region Nouvelle Aquitaine im Südwesten Frankreichs am Atlantik. Eine Region, die zum einen weltberühmt ist für die höchste Düne Europas, die Dune de Pyla, die als zweitgrösstes Touristenmagnet Frankreichs gilt, zum anderen ebenso weltberühmt für seine Wellen, insbesondere jene von Hossegor, wo sich ab September in regelmässigen Contests die absolute Weltklasse trifft. Dazu steht hier auch der grösste artifizielle Wald Westeuropas, der zu Zeiten Napoleons in einem riesigen Aufforstungsprozess aufgebaut wurde – nachdem er zuvor wirtschaftlich unnutzbares Sumpfgebiet war. Eine Landschaft von berückender Schönheit. Gleich nördlich von Les Landes beginnen übrigens die berühmten Weingebiete rund um Bordeaux.


Sonne, Sand und Meer

Was auf den ersten Blick kaum Sinn macht, erschliesst sich beim Augenschein von alleine: die Region eignet sich ausgezeichnet fürs Rollskitraining. Da die Franzosen mit Superlativen selten geizen, wurde die ganze Region mit einem unglaublich grossen Radwegnetz aufgerüstet. Buchstäblich Hunderte von Kilometern lassen sich hier auf Radwegen erfahren. Neben den tatsächlich sehr zahlreichen RadfahrerInnen und JoggerInnen treffen sich seit Neuestem auch Rollskifahrer – ausser mir habe ich tatsächlich einen weiteren Rocknroller gesehen. Halleluja. Der Asphalt ist zumindest auf allen von mir befahrenen Routen von hervorragender Qualität, Es ist auch nicht nur flach, sondern bietet einige Hügelchen. Aber ja, Pässe sind keine dabei. Das einzige Hindernis, das einen tatsächlich zu Fall bringen kann, sind die durch Baumwurzeln verursachten Asphalt-Sprengungen.


Die Pyrenäen

Und trotzdem: wer tatsächlich auf die Idee kommt, auch hier nach Pässen zu suchen, muss nicht einmal weit fahren. Keine 40 Kilometer südlich beginnen die Pyrenäen, und die vereinen bekanntlich einige der grossartigsten Pässe Europas. Ich weiss nicht, ob es erlaubt ist, aber alleine die Vorstellung, die Pässe Tourmalet, Aspin, Aubisque, Peyresoude, Pailhères und die vielen anderen mit den Rollski zu befahren, lockt ungemein. Allerdings bedingt das einen Chauffeur-Service, da der öffentliche Verkehr hier nicht ganz die Qualität der Schweizer Verfügbarkeit erreicht. Also weiter im Flachland-Programm.

Ich habe natürlich noch längst nicht alles entdeckt, habe noch keine grossen Rundtouren unternommen, sondern ABA-Fahrten gemacht. Seignosse-Casernes-Seignosse (21 km); Seignosse-irgendeine Kreuzung-Seignosse (25km); Seignosse-Vieux-Boucau-Seignosse (32km); Seignosse-Messanges-Seignosse (41km). Und es wäre ewig weiter gegangen. Nach Moliets-et-Maa, nach Leon, von Leon aus weiter ins Bassin de Arcachon, und weiter weiter weiter. Immer in der Nähe zum Meer – wenngleich dieses so gut wie nie sichtbar ist, da bestens versteckt hinter hohen Dünen. Es gibt auch einen sehr schönen Radweg von Cap Breton nach Seignosse, der direkt am Meer entlang läuft respektive an der Düne davor. Will heissen: auch wenn man nur mal gerade 500 m Luftlinie vom Meer entfernt ist, wird es kaum je sichtbar. Der einzige Wermutstropfen.

Die Radwege - viel Abstand zur Strasse und fast so breit.

Allerdings ist das ein Zukunftsprojekt. Nein, nicht der Wein, die Landschaft hat es mir angetan. Ich habe – Bordeaux-Fanatiker werden jetzt kollektiv aufstöhnen und mir alles mögliche vor die Rollen werfen – nicht einen einzigen guten Bordeaux getrunken. Das habe ich allerdings auch in der Schweiz kaum je geschafft. Bis es richtig gut wird, muss man richtig gut Geld in die Hand nehmen. Aber die Landschaft, das Meer, der Duft, die Sonne, die Wellen und die Rücksicht gegenüber Rollskifahrern – unübertroffen. Vermutlich sind wir schon eher selten, aber wann immer ich eine Strasse zu überqueren hatte, wurde vorsichtig gefahren oder gar angehalten.


Höchste Zeit, hier ein Trainingscamp einzurichten.

Eine Tour, die auf 36 Kilometern alles bietet, was eines geneigten Rollskiers Herz begehrt. Flachland, einen Pass, eine kurze Strecke zu Fuss, mehrere Abfahrten, davon eine heftige, zumal wenn man sie nicht kennt, Stadtgelände und Landeinsamkeit (haha!). Und gut verteilte 700 Höhenmeter – das ist mehr als die Diagonela auf 65 Kilometern bietet. Es wird also doch einiges verlangt. Der Buchenegg-Pass ist moderat steil mit durchschnittlichen 10% und Spitzen bis 12%, zieht sich von Langenberg auf die Buchenegg – den nicht so fleissig befahrenen Nachbarspass des Albis.

Üetliberg verkehrt - genauer: von Sellenbüren aus.

Der Start zur Tour befindet sich in der Allmend Brunau, gleich bei der Saalsporthalle, und damit dort, wo der Üetliberg (oberhalb des Albisgüetli) am steilsten ist, wo er also tatsächlich etwas Bergiges an sich hat.


Der Genusspass

Die ersten Meter sind flach, man hat Zeit, sich anzuwärmen. Dann ein erstes Mal über die Sihl und kurz dahinter hoch auf eine rund 500 m lange Brücke, die unter anderem über den allmorgendlichen Autobahnstau führt und dann auf den ersten Hügel: den Entlisberg. Ennet dem Bergli geht’s wieder runter an die Albisstrasse, die sich bis nach Adliswil zieht und die in Adliswil Zürichstrasse heisst. Noch vor dem Ortseingang geht’s rechts auf den offiziellen Radweg, wo man am Fluss entlang durch Adliswil rollt – zumindest bis zur Wachtbrücke. Hier geht’s ein zweites Mal über die Sihl auf die – hört hört – Albisstrasse. Dieser bis zum Tierpark Langenberg folgen und kurz vor dem ersten grossen Parkplatz rechts in die Passstrasse mit dem – wie könnte es anders sein – passenden Namen Bucheneggstrasse. Ab hier darf man von einigermassen steil sprechen. Man gewinnt schnell an Höhe und der Ausblick zurück ist phänomenal – zumindest wenn das Wetter stimmt. Mit knapp 3.5 Kilometern ist der Pass eher kurz, also sollte man ihn geniessen.


Bergabmarsch

Oben Rollski abschnallen und laufen. Denn auch hier sind es 10-12%, zudem ist es unübersichtlich, und ja, es hat Verkehr – wenn auch wenig. Ungefähr in der Hälfte geht links ein steil abschüssiger Wanderweg ab. Unbedingt den nehmen, die Strasse macht einen grossen Bogen. In Tägerst einem kleinen Weiler, der zu Stallikon gehört, werden die Ski wieder angeschnallt. Nun zieht es – fast immer leicht abschüssig – durchs Äugstertal auf einem bestens ausgebauten Radweg gen Birmensdorf. Die Weiler und Dörfer dazu heissen: Gamlikon, Stallikon, Sellenbüren, Landikon. In Birmensdorf bis zur Stationsstrasse, die – wie könnte es anders sein – zum etwas erhöht über Birmensdorf liegenden Bahnhof führt.


Rauf und runter

Hier folgt die zweite Steigung (100 hm, ± 8%) hoch nach Uitikon. Auf der Urdorferstrasse runter nach (ich mach jetzt keinen Spruch mehr) Urdorf auf einer sehr schönen Landstrasse, wo man sich tatsächlich auf dem Land wähnt. Mit einer Abfahrt, die ich noch nicht kenne, und auf der ich den Stemmbogen so ausreize, dass der Ski-Holmen mitbremst. Aber irgendwann ist man unten und ab hier ist de Rest der Strecke ein angenehmes, wenn auch langatmiges Ausfahren. Ich biege in Schlieren ab – vervollständige also nicht die eigentlich vorgesehene Runde bis zum Startpunkt –, sondern nehme auf Nebenwegen den Heimweg in Angriff, der mich am Schluss nach Höngg führt. Wer in Schlieren geradeaus weiterfährt, entdeckt Wege, viele davon eigens als Radwege angelegt, die zwar durch die Stadt, aber dennoch gut machbar hoch zum Triemli und von dort aus via Schweighofstrasse rüber zur Allmend Brunau zurück leiten. Wer sich auskennt, kann auch den Weg entlang der Zuglinie der SZU nehmen, der bis in die Binz führt – rund 1 Kilometer von der Saalsporthalle entfernt.


Von Rorschach nach Kreuzlingen: eine leichte Einsteigertour in längere Strecken. Will heissen: mit 37 km kurz vor Marathon-Länge, aber für wahre Langstreckenfans zu kurz. Idealerweise auch noch mehrheitlich flach – ich weiss ehrlich gesagt nicht so recht, wie respektive wo die 260 hm entstanden sind. Die Route eignet sich sowohl für Skater als auch für Klassisch-Läufer, die Wege sind grösstenteils hervorragend und breit ausgebaut. Kein Wunder, dass sie bei Radlern und (leider) auch E-Bikern sehr beliebt sind. Aber ich habe mir einen perfekten Tag ausgesucht, um meistens alleine unterwegs zu sein.

Man erkennt es kaum und der Lichtblick täuscht - es regnet stark.

Gewitter, Starkregen, Böen

Als ich in Rorschach zu laufen beginne, beginnt es augenblicklich zu regnen. Was anfangs nach einem leichten Getröpfel aussieht, ändert sich innert weniger Minuten. Schon ein Dorf weiter, in Goldach, sträzt es. Und in Horn sind die Strassen überflutet - naja, das ist jetzt es bitzeli übertrieben, aber die Fontänen, die meine Minirollen produziere, beeindrucken mich eben.


Die Musik passt

Keine Ahnung, ob das Zufall war oder Schicksal, aber die Musik bot mir einen Anhaltspunkt über meine momentane psychische Befindlichkeit. Um die war's nicht immer bestens bestellt. In Steinach bietet sich mir der bis dato beschissenste Asphaltbelag, den ich mit Rollen queren durfte. Es wechseln sich eine Art grober, verfestigter Sandkies und Kopfsteinpflaster ab – und im Ohr habe ich 7empest von Tool. Der Regen, obwohl theoretisch gar nicht möglich, wird noch stärker. Der Himmel ist fast so dunkel wie nachts. Endlich wieder guter Asphalt, wenigstens für gut 400 Meter – dann kommt die Arboner Seepromenade und die ist gekiest. Bei Trockenheit möglicherweise ganz ok, jetzt aber ist's eine Mischung aus Kies, Schlamm und Wasser – im Ohr Darkness von Anne Clarke. Danach aber wird es besser – auch wenn ich nach dieser Mogelpackung eine kurze Fotopause einlege. Zwischen Arbon und Romanshorn geht's gefühlt 10 km geradeaus, mental nicht ganz ohne, weil: es passiert einfach genau gar nichts!, auch wenn Meshuggah mit Bleed so richtig hart Stimmung machen.


Lieber a Radlermass als Radlermassen

Mit Romanshorn ist ziemlich genau die Hälfte der Strecke absolviert und wie sich's gehört, hört's dann auch auf zu regnen, die Strecke trocknet zügig ab, der Weg ist von grossartiger Qualität, und ja: Radtouristiker hat's (noch) nur wenige. Es wird sich aber nach und nach andeuten, dass die Strecke bei gutem Wetter von Radlern richtiggehend zugefahren wird – ähnlich wie Greifensee oder Flughafen. Der Weg ist bestens ausgeschildert, meistens geht's geradeaus, Kurven haben Seltenheitswert und bieten willkommene Abwechslung. Es ist unmöglich, sich zu verfahren. Die Aussicht ist grandios, die schiere Grösse des Bodensee überwältigend (vor allem im Vergleich zum Zürichsee, diesem überfüllten Schlauch, der zudem dank zu vieler Villenbesitzer unzugänglich ist und bleibt). Ferien hier stelle ich mir wie Ferien am Meer vor.

Nach Romanshorn streift man die Ortschaften (in dieser Reihenfolge): Uttwil, Kesswil, Güttingen, Altnau, Münsterlingen, Bottighofen und kommt schliesslich am Yachthafen Kreuzlingen an – mit freier Sicht auf Konstanz. Die Musik: Jesus Christ Pose von Soundgarden – das darf jetzt allerdings nicht allzu wörtlich genommen, hier trügt der musikalische Zusammenhang. Es folgen nun nur noch rund 3 km zum Bahnhof Kreuzlingen, wo ich den Weg zurück nach Rorschach unter die Schienenräder nehme.


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