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Viele von uns mussten einst in der Schule die Schweizer Flüsse auswendig lernen: Aare, Rhône, Rhein, Reuss, Linth, Doubs. Die Limmat, ganz ehrlich, ich weiss nicht mehr, ob die dabei war. Zu kurz. Das einzige, was den Fluss zum Fluss macht, ist der Umstand, dass er breit genug dem Zürichsee entfliesst. Und vielleicht auch, dass die viel längere Sihl am Platzspitz zur Limmat wird. Aber dann das: bereits nach 36 Kilometern und 70 Fallmetern tiefer löst sie sich bei Turgi in der Aare auf – praktisch gleichenorts wie die Reuss. Was die Streckenlänge anbelangt, dürfte eine Tour entlang der Limmat also kein Unding werden - es sind knapp 34 km. Happige Erhebungen stellen sich auch nicht in den Weg.

Der Blick von der Bahnhofbrücke aus flussabwärts - Samstagmorgens ist die Welt noch in Ordnung.

Frühmorgens durch die Stadt

Es ist dies die erste Tour, die anfangs vollständig durch die Stadt führt. Die ersten zwei Kilometer vom Bellevue zum Central lasse ich allerdings weg, da fast ausschliesslich Kopfsteinpflaster. Ab Central bis Stadtgrenze laufe ich allerdings dann tatsächlich mehr oder weniger der Limmat entlang. Erst im Grünauquartier geht’s an die Bahnstrecke nach Schlieren, wo ich auf der Überlandstrasse Richtung Dietikon die Limmat überquere. Hier folgt rechts der Limmat der aus anderen Touren bekannte grottenschlechte Asphaltbelag, bevor man nach Geroldswil quert und dort auf Wohnquartierstrassen bis ans Ende von Oetwil fährt (siehe Tour 18 – Limmattaler Vorortvorfahrt). Ab Oetwil führt ein neuer Radweg nach Würenlos, wo ich mich in Ermangelung eines Trottoirs verbotenerweise auf der Strasse mitten durch den Ort rolle. Von Würenlos führt ein Radweg nach Wettingen, ehe es wieder auf Trottoirs weitergeht.

Eine Limmattour fast ohne Limmat

Es ist eine Tatsache, dass es direkt entlang der Limmat zwar einen Weg bis nach Baden gibt, der kann aber mit herkömmlichen Rollski nicht befahren werden. Er gilt als Wanderweg, ist bekiest, relativ schmal und immer mal wieder von Wurzeln durchsetzt. Also ungeeignet. Und so verläuft der zu rollende Weg meistens entlang der bekannten Strassen, häufig auf Radwegen, oft genug auf dem Trottoir – vor allem in Wettingen, Baden und Ennetbaden. Just hier rollt man dann aber dafür dicht wie selten an der Limmat entlang, für immerhin rund fünfhundert Meter.

Das Ende der Limmat

Nach Obersiggenthal und von dort bis Untersiggenthal führt eine als Radweg ausgeschilderte Strecke bis Turgi. Dort folgt die Steigstrasse (ihr Name ist Programm). Bergab heisst sie deshalb auch Fallstrasse. Deshalb laufe ich. Immerhin: unter riecht man die vielen Flüsse, die hier aufeinandertreffen, schon fast. Der Rest gilt der Suche nach dem Weg zum Limmatspitz. Genau genommen ein Geflecht von Wasserläufen, aber sehr schön anzusehen. Nachdem ich einen Teil auf Kieswegen noch mit den Rollski bewältige, laufe ich den Rest.

Wo die Limmat auf die Aare trifft und derowegen am Ende ist.

Neulich hatte ich ein Erlebnis der besonderen Art. Genauer: der sonderbaren Art. Ich bin auf Rollski im Furttal unterwegs, sogar sehr gut unterwegs, um nicht zu sagen: so gut, dass ich denke, das kann nicht an mir liegen, das muss Rückenwind sein. Es läuft wie von alleine, wie geschmiert, Kadenz perfekt, Lächeln im Gesicht, die Nase im Wind – was bei Rückenwind nicht ganz einfach ist, aber heute schaffe ich alles.


Slow down, take it easy

Und dann das! In meiner Nase macht sich der süssliche Duft von Cannabis breit. Man muss wissen, dass ich kein Cannabis konsumiere, trotzdem aber den Geruch mag. Will heissen, es stört mich nicht. Aber es lenkt mich ab.

Ich werde langsamer, deutlich langsamer. Hallelujah, was ist los? Bin ich ohne Rausch berauscht? Oder liegt es daran, dass ich den Duft nicht so schnell wieder aufgeben will?

Ich nehme an, dass das Gras nicht genügend THC ausweist, um mich solcherart in einen Trip zu versetzen. Dass es ziemlich sicher CBD-Gras ist. Also macht die Temporeduktion keinen Sinn. Aber wieso werde ich langsamer? Vielleicht das näher rückende und bislang erfolgreich unterdrückte Gefühl des Verlusts der immer weiter zurückliegenden Jugend? Habe ich was verpasst? Muss ich was nachholen? In meinem biblischen Alter?


Dope an Olympia

Mir fällt Ross Rebagliati ein. Olympiagold vor über zwanzig Jahren. Musste er nach drei Tagen abgeben. Zur Erinnerung. Der Kanadier Ross Rebagliati war der erste Snowboard-Olympiasieger der Geschichte. Er gewann in Nagano 1998 Gold im Riesenslalom. Dann aber der Schock: bei einer Dopingprobe wurden Spuren von Cannabis gefunden, der Sieg wurde ihm aberkannt. Die japanische Polizei ging noch einen Schritt weiter: sie verhaftete Rebagliati kurzerhand, weil er Drogen ins Land geschmuggelt haben soll. Die kanadische Delegation legte umgehend Rekurs beim Sportgericht ein. Etwas später konnten die Vorwürfe als haltlos entkräftet werden, er wurde freigelassen, die Goldmedaille bekam er zurück.

Interessant war die Diskussion darüber, ob Cannabis überhaupt in der Lage sei, eine Leistungssteigerung herbeizuführen. Ob das eher dämpfende, entspannende Cannabis dazu verhelfen kann , in einem Final an die Spitze zu fahren. Vielleicht war es die Entspannung, die dazu geführt hatte, dass Rebagliati, der im ersten Lauf auf Rang 8 gelegen hatte, im zweiten Lauf so was von aufdrehte. Immerhin: Ross Rebagliati konnte erfolgreich beweisen, dass er nicht geraucht hatte, sondern (vor der Abreise nach Japan) an einer Party war, wo Cannabis konsumiert wurde. In Snowboarderkreisen damals nicht unüblich.


Rollski und Goa

Was mich wieder ins Furttal zurückführt. Oder nach Watt-Regensdorf. Oder nach Rümlang. Oder nach was weiss ich wo. Es duftet überall – CBD-Gras wird mittlerweile landesweit produziert, es riecht mancherorts wie an einer Goa-Party. Fehlt nur noch die landesweite Beschallung mit der entsprechenden Musik. Das wär’ was: Rollskitraining mit Goa an der Seitenlinie: Reset your mind. Oder: Stairway to heaven (ich hasse das Lied, Zep hat rund 50 bessere Stücke, aber der Titel passt). Oder: Free your mind and your ass will follow von George Clinton. Alle komplett zugedröhnt. Ich schwör’s, ich habe George Clinton aka Dr. Funkenstein gesehen, sechs Stunden Konzert, er wie der Papst persönlich auf der Bühne, sich kaum bewegend, entrückter Blick, ewiges Smile, seine Band aber im Griff, ab und zu ein paar sanfte Worte sprechend, bevor er in einer Art Raumkapsel verschwand, aber irgendwann dann auch wieder auftauchte, aus dem Nichts, immer noch benebelt. Oder Bob Marley 1980 in Zürich. 11'000 bekiffte Fans, alle ausser mir – aber eigentlich auch ich, weil passiv dabei.

Ungefähr so fühle ich mich jetzt gerade, im Furttal: entrückt, zugedröhnt, verlangsamt. Und darüber nachdenkend, wie ich diesen Zustand in Worte fassen könnte. Ob ich nicht lieber echtes THC konsumieren sollte? Quasi wie all die Musiker in den siebziger Jahren, die astralisch von ihrem irdischen Dasein entfremdet zur irrsten Musik fanden. Ich also zur irrsten Form des Rollskilaufs?

Irgendwann, so bedauerlich das auszusprechen ist, ist’s vorbei mit ausserirdischem Gefühlsdasein, die Erde hat mich zurück, der Duft ist verduftet. Und ich rolle wieder normal. Immerhin, nein: immer noch mit Rückenwind.

Eine Strecke von A nach B, lies: von Rüti ZH nach Winterthur. Satte 48 km lang, mit einem steilen Einstieg gleich zu Beginn und einem langen Bergablauf ab Gibswil. Sowohl für Klassisch-Läufer als auch für Skater geeignet. Sie liesse sich auch umdrehen, dann aber nur bis Hüebli oberhalb von Wald, bis zu 11% steil ist der Aufstieg und entsprechend der Downhill. Nicht wirklich spassig.

Töss und Tösstalweg - viel Zeit, viel Ruhe, kein Verkehr.

Aufstieg

Der Aufstieg beginnt direkt ab Bahnhof Rüti. Kein Millimeter einrollen, vom ersten Moment an geht’s aufwärts – bis zur Ortsgrenze auf dem Trottoir, dann auf einem breiten Radweg. Ausgangs Rüti befindet man sich bereits 100 hm höher auf 540 m. Bis Wald sind’s nochmals knapp 90 hm, und ausgangs Wald Richtung Alp Scheidegg sind wir bereits auf 660 m. angelangt. Jetzt beginnt der Schlussaufstieg bis Hüebli, das sich auf 780 m befindet. 340 Höhenmeter auf knapp 7 km – klingt nach gar nicht mal so viel. Aber zum Vergleich: die Diagonela hat auf 65 km 560 hm.

Jetzt ist aber Schluss mit Lustig – es sei denn, man möchte sich die Alp Scheidegg antun. Diese glänzt ab Steigungsbeginn mit durchwegs 18-23%. Als Berglauf aber sicher ein Erlebnis. Mir hat’s auf dem Velo gereicht.

Der Verkehr ist bis Wald mörderisch, selbst auf dem Veloweg fühle ich mich nicht wohl. Das ist vermutlich dem Umstand zu verdanken, dass ich bereits um 06.30 Uhr starte. Gewissermassen mit Vollgas in die Rush Hour. Dann aber wird’s ruhig.


Und Abfahrt

Von Hüebli an geht’s leicht runter Richtung Gibswil – wo ich auf zwei Schanzen die Springer vermisste (und den Schnee, aber das ist ein anderes Kapitel). Gibswil ist ein Zentrum für Nordic-Sport und bringt jährlich grosse Talente hervor. Im vergangenen Winter haben sich gleich mehrere Mitglieder des SC am Bachtel als potentielle Medaillenanwärter gezeigt, insbesondere die 16-jährige Siri Wigger hat bei Meisterschaften jedweder Form Medaillen abgeholt. Und nun laufe ich durch diese Hochburg des nordischen Skisports und fühle mich ein bisschen elend. Irgendwie komme ich mir mächtig angestrengt vor, so gar nicht locker. Vielleicht entspannt mich die Abfahrt bis nach Steg. Die findet ab Fischenthal auf dem eher schmalen und mit vielen Ritzen, Spalten und Dolendeckel verunzierten Trottoir statt. Aber ab Steg geht’s bis Winterthur auf einen bestens ausgebauten und schön angelegten Radweg, dicht entlang der Töss. Irrsinnig schön, wenn die Töss derzeit auch eher wenig Wasser führt. Insofern empfiehlt sich eine Tour im Mai – da hat’s zwischen Saland und Wila so gut wie nie Wasser, ein durchaus verwirrendes Phänomen.


Und Flachland

Der Rest ist Dessert (ich liebe Dessert): man rollt an Turbenthal, Rämismühle, Rikon und Kollbrunn vorbei bis Sennhof, ohne je mit Verkehr in Berührung zu kommen, immer schön der Töss entlang. In Sennhof bietet sich die Variante an, hoch zur Kyburg zu laufen und dann sanft Richtung Fehraltorf und weiter nach Uster zu rollen – ich ziehe die Variante Stadt vor. Auch hier lässt’s sich’s, von einer kurzen Passage entlang der Tösstalstrasse, entspannt und verkehrsabgewandt bis ins Zentrum, also bis zum Hauptbahnhof rollen. Ich wählte die Waldeggstrasse, den Mattenbachweg und die Zeughausstrasse. Mit dieser Route ist man blitzschnell zmitztdrin. Übrigens alles bestens ausgeschildert, Verfahren nahezu unmöglich.


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